Julia, 25, studiert im Master Umweltwissenschaften und kennt sich hervorragend mit Binnengewässern aus. Sie hat viele Ideen, was politisch zu tun wäre, um die Gewässer zu schützen. Sie würde sich gern zu dem Thema einbringen, ihr Ortsverein kann ihr diese Möglichkeit jedoch nicht bieten.
Simone, 37, interessiert sich sehr für Fragen der Digitalisierung. Weil sie durch Beruf und Familie stark eingebunden ist, schafft sie es zeitlich kaum zu den Treffen Ihres Ortsvereins um 18:30 Uhr zu erscheinen, um darüber zu diskutieren.
Udo, 54, ist Mitglied der AG Selbst Aktiv der SPD. Er ist anerkannter Experte für Verkehrspolitik. Durch seine Behinderung fällt es ihm schwerer an den Treffen des Ortsvereins teilzunehmen. Er möchte sich mit anderen Genossinnen und Genossen in Deutschland austauschen und sucht eine barrierefreier Alternative.
Dies sind nur drei Beispiele dafür, dass unsere Partei nicht allen Mitgliedern die Beteiligungsmöglichkeiten bietet, die viele sich wünschen. Ortsvereine sind eine großartige Möglichkeit sich in die Partei einzubringen. Sie sind das Gesicht unserer Partei vor Ort. Die Expertise und das Wissen von 450.000 Mitglieder muss die SPD besser nutzen. Sie sollten mehrere Möglichkeiten bekommen, diese in die Parteiarbeit einzubringen, je nachdem wie es in ihrer Lebenslage passt.
Eine der Forderungen von SPD++ ist deshalb die Einführung von online-basierten Themenforen. Bei Online-Themenforen mag man zuerst an klassische Web-Foren (Boards) denken, doch bezieht sich der Begriff auf die innerhalb der SPD eingeführten Themenforen, die bereits seit der Parteireform von 2011 möglich sind. Wir möchten jedoch, dass sich diese Themenforen vor allem online organisieren und sie mit bestimmten Rechten ausgestattet sind, dazu zählt das Antragsrecht und die Möglichkeit, Delegierte für den Bundesparteitag entsenden zu können. Online-basierte Themenforen sollen daher eine niedrigschwellige Alternative und Ergänzung zu den bestehenden Strukturen sein. Durch die themenbezogene Arbeit ersetzen sie weder Ortsvereine noch Arbeitsgemeinschaften.
Die Partei muss Ort des sozialen Austauschs für alle Mitglieder sein. Themenforen sollen daher nicht nur strikte Textarbeit, sondern Vernetzung ermöglichen. (Online-)Konferenzen, sehr schnelle Mitmach-Möglichkeiten, wie Abstimmungen für die Erstellung von Meinungsbildern, bis hin zu komplexen Fachdiskussionen sollen möglich sein. Es ist bei der konzeptionellen und technischen Umsetzung darauf zu achten, dass niemand benachteiligt wird, weil er oder sie nicht permanent online ist und sich nicht an Detaildiskussionen beteiligen kann. Technische Lösungen müssen zwingend auch für „Nicht-Digitalos“ nutzbar sein und eine überzeugende „User Experience“ bieten, sprich: das Mitmachen muss auch Spaß machen.
Die online-organisierten Themenforen sollen mehreren Anforderungen an Strukturen innerhalb der SPD genügen:
- Sie ermöglichen die Teilhabe an politischen Prozessen direkt ab Beginn der Mitgliedschaft und sind orts- und zeitungebunden möglich.
- Sie zeigen die Kompetenzen innerhalb der Partei auf. Durch die Themenforen werden sich Mitglieder beteiligen, die aufgrund unterschiedlicher Gründe bis jetzt nur passive Mitglieder waren.
- Sie ermöglichen die Vernetzung von SPD-Mitgliedern über die klassischen regionalen Grenzen hinaus.
Wir möchten, dass Julia, Simone, Udo und noch viele mehr sich einbringen können. Wir glauben: Wer sich einmal wirkungsvoll in der SPD engagiert hat, der ist auch offener für andere Formen der Beteiligung. Die Themenformen können helfen, dass aus Mitgliedern MitmacherInnen und MitentscheiderInnen werden.
Echte Beteiligung statt Scheinbeteiligung
Es erreichen uns mehrere Fragen, ob denn Themenforen rechtlich gesehen überhaupt Delegierte entsenden können. Kurzantwort: Ja.
Wer auf Paragrafen steht, hier auch die Langantwort:
Auf diesem Parteitag geht es um eine grundsätzliche Willensbekundung, dass die Partei digitale Beteiligung ernst nimmt. Natürlich muss es auf dem nächsten Parteitag noch eine Satzungsänderung geben, in der die genauen Zahlen definiert werden.
Wir fordern, dass jedes Themenforum (nicht aber die Unterforen) Delegierte zum Bundesparteitag entsenden kann. Diese werden innerhalb der Themenforen bestimmt. Nach dem deutschen Parteienrecht ist dies möglich. Zwar beschreibt das Parteiengesetz (PartG) in §8 Abs. 1, dass Delegierte aus regionalen Untergliederungen entstammen müssen, jedoch räumt PartG §9 Abs. 2 die Möglichkeit ein, dass ein Fünftel der Delegierten nicht aus dem Regionalprinzip entstammen muss. Die SPD macht davon aktuell nur in beschränktem Maße gebrauch: die Mitglieder des Parteivorstands sind Delegierte auf dem Bundesparteitag, wie definiert im SPD-Organisationsstatut (OrgSt) in § 15 Abs. 2. Dass dieses Fünftel aber auch aus anderen Mitgliedern bestehen kann, wird auch in OrgSt § 10 Abs. 3 beschrieben.
Aktuell besteht der Bundesparteitag aus 600 Delegierten plus 35 Personen aus dem Parteivorstand (der lt. OrgSt § 23 Abs. 1f auf 35 Personen beschränkt ist). Rechnerisch möglich wären bei 600 „Regional-Delegierten“ noch 150 weitere Zusatzdelegierte, wovon 35 für den Parteivorstand abzuziehen sind. Bis zu 115 zusätzliche Delegierte sind daher theoretisch denkbar, wenn man die Anzahl an Regional-Delegierten nicht verringern möchte (entsprechend weniger, falls der Parteivorstand vergrößert werden sollte).
Nur durch das Antragsrecht und auch die Möglichkeit Delegierte entsenden zu können, entsteht echte Beteiligung. Viele Online-Beteiligungsverfahren sind daran gescheitert, dass es eben diese echte Beteiligung nicht gab. Der Bundesparteitag wird voraussichtlich am Samstag darüber entscheiden.
Antragstext