Neben dem neueren, zugespitzeren inhaltlichen Fundament, das die Partei benötigt, ist auch eine klarere und umfassendere Strategie der Kommunikation notwendig. Ich korrigiere: Es ist überhaupt eine Kommunikationsstrategie notwendig. Deutliche, nicht häufig wechselnde Botschaften in verständlicher Sprache sind Mangelware. Das Setzen eigener Themen findet quasi nicht statt. Wird die Kommunikation nicht besser, hat die Partei kaum eine Chance.
Fünf-Punkte-Plan für #SPDErneuernDieser Beitrag ist der erste Teil der fünfteiligen Artikelserie „Fünf-Punkte-Plan für #SPDErneuern“.
Weitere Artikel erscheinen in den kommenden Wochen.
Parteiinterne Kommunikation hat sich verbessert
Fangen wir mit den positiven Entwicklungen an: Die parteiinterne Kommunikation hat sich in den letzten Monaten verbessert. Bei Mitgliederbefragungen können Genossinnen und Genossen ihre Meinung zu Themen abgeben und beim anstehenden Debattencamp in Berlin kann breit über die inhaltliche Neuausrichtung der Partei diskutiert werden. Die online-basierten Themenforen sollen bald kommen. Und der Generalsekretär Lars Klingbeil ermöglicht die direkte Kommunikation über WhatsApp und ist auf allen großen Social Media Plattformen aktiv. Kommunikation in beide Richtungen ist damit zumindest in Ansätzen erkennbar, wovon sich andere Vorstände eine Scheibe abschneiden können. Aber wie sieht es mit der allgemeinen politischen Kommunikation aus?
Das Beispiel Bundeshaushalt
Im Mai legte Bundesfinanzminister Olaf Scholz seinen Entwurf für den Bundeshaushalt vor. Obwohl es sich zwar um Regierungsarbeit handelt, ist das Finanzministerium einer der größten „Trophäen“ aus den Koalitionsverhandlungen. Und da der Bundeshaushalt einer der wenigen Momente ist, auf dem das Scheinwerferlicht ausführlich auf das Ministerium und den Minister gerichtet ist, wurde die Solo-Performance, wo auch die Partei hätte glänzen können, komplett vergeigt. Mehr Investitionen in Bildung, Digitalisierung, Städte, Straßen und Internetanschlüsse („Infrastruktur“) – all das findet statt, wurde aber nicht kommuniziert. Hängen geblieben ist ein Artikel der Süddeutschen Zeitung, der für die Einordnung (Framing), des Bundeshaushalts quasi unwidersprochen in der Allgemeinheit übernommen wurde. Wieso gab es hier vorab keine klare Kommunikationslinie? Hier hätten, schon 1-2 Tage im Vorfeld, in klassischen aber auch in den sozialen Medien Leitplanken gesetzt werden müssen. Alle Spitzen der Partei, vorneweg der Bundesfinanzminister und Vizekanzler, Parteivorsitzende und ihre Stellvertreterinnen und Stellvertreter hätten eine klare Botschaft ausgeben müssen. Alle. Wiederholt. Klare Botschaft. Was ist passiert? Nichts. Man überließ es anderen den Bundeshaushalt einzuordnen. Die größte politische Gestaltungsmöglichkeit für das Jahr 2018 innerhalb der großen Koalition fällt zusammen wie ein Soufflé im Ofen.
Ein weiteres Beispiel: Die große Debatte der letzten Tage ist, ob es eine Art Pflichtdienst für alle jungen Menschen geben soll. Auch wenn diese Debatte sicherlich dem Sommerloch geschuldet ist: wieder setzt eine Konservative das Thema. Als hätte es das in den letzten Monaten (Masterplan) oder Jahre (innere Sicherheit in der gefährlichen Vermischung mit Flüchtlingspolitik) nicht gegeben. Wann hat die SPD zuletzt aktiv ein Thema gesetzt? Lobend kann man höchstens erwähnen, dass die SPD nicht zur Verliererin des Streits zwischen CDU und CSU im Frühsommer wurde. Das war in den vergangenen Jahren auch schon einmal anders.
Zukunft ist gut für alle – oder so
Auch im Bundestagswahlkampf 2017 versäumte es die Partei, klare Botschaften zu etablieren. Ein „Zeit für mehr Gerechtigkeit“ ist ähnlich nichtssagend wie „Zukunft ist gut für alle“. Keine Zuspitzung, keine klare Botschaft sondern ein triefend langweiliger Allgemeinplatz unter dem jede und jeder etwas anderes verstanden hat.
Viel zu häufig denkt die Partei – und nicht nur die Parteispitze, sondern auch Landesverbände oder Untergliederungen – in klassischen Kommunikationsformen der 1990er Jahre. Hintergrundgespräche, Pressemitteilungen und die Hoffnung auf den richtigen Spin durch den Journalisten oder die Journalistin sind nicht nur altbacken sondern sogar fahrlässig, wenn man im Jahre 2018 noch politische Kampagnen fahren und Erfolg dabei haben will.
Schlechte Kommunikation: Wann wurde zuletzt ein SPD-Thema diskutiert?
Die SPD beklagt häufig, sie käme mit ihren Themen nicht mehr durch und würde in der veröffentlichten Meinung keine Rolle mehr spielen. Das ist nicht falsch: Seit Ende 2015 dominieren die Themen innere Sicherheit, Flüchtlinge und Asyl die Schlagzeilen. Themen, bei denen die SPD nicht punkten kann, da sie zwar eine klare Position dazu hat, diese aber nur schwierig vereinfacht kommunizieren kann. Nicht selten passiert es also, dass eigen Parteimitglieder nicht einmal wissen, was genau die Position der SPD zu einem Thema ist. Paradoxerweise ist dies z. B. bei der Flüchtlingspolitik zu erkennen, obwohl seit Jahren über nichts anderes gesprochen wird.
Doch statt zu beklagen, dass die eigenen Themen nicht durchkommen, muss man sich selbst hinterfragen: vielleicht bringt die Partei die Positionen auch nicht richtig rüber? Die SPD muss eigene Kommunikationsformen entwickeln, die Botschaften individualisiert herunterbrechen und eine direkte Ansprache finden. Gern auch emotional und manchmal auch verkürzt mit Mut zur Lücke. Diese kognitive Aufgabe kann ihr niemand abnehmen. Man kann sich nicht – wie vielleicht damals – darauf verlassen, dass das ein freundlicher Journalist übernimmt. Und diese Botschaften müssen wiederholt werden. Immer wieder. Immer wieder. Immer wieder. Immer wieder.
Stilblüten erfreuen den Feuilleton, nicht aber die Wählerschaft
Diese Botschaften müssen auch in klarer Sprache formuliert sein; mit Begriffen, die für jede und jeden verständlich sind. Die SPD hat zweifelsohne wichtige Themen durchgeboxt, die unsere Gesellschaft voran bringen. Diese werden dann aber unter den Chiffren wie Brückenteilzeit, doppelte Haltelinie, Parität oder Musterfeststellungsklage kommuniziert. Wer auf der Straße 100 Personen nach den Worten befragt, wird kaum jemanden finden, der diese Begriffe erklären kann.
Die SPD muss massiv in die Aufstockung im Bereich Social Media investieren (wohlwissend, dass dann an anderer Stelle gespart werden muss). Und da reichen nicht nur ein oder zwei Personen. Sowohl für Bundespartei und Bundestagsfraktion müssen es jeweils mehr als eine einstellige Anzahl an MitarbeiterInnen sein, aber auch Landesverbände und Landtagsfraktionen müssen ausreichend Personal an Bord haben. Dazu bedarf es unterschiedlicher Komponenten: (Digitale) Strategie, Communitymanagement und Menschen mit zumindest grundlegenden Kenntnissen in Bildbearbeitung und Videoschnitt.
Die Analyse des Bundestagswahlkampf hat bereits gezeigt, dass die Partei ihre Kommunikationsstrategie grundlegend überarbeiten muss. Diese neue (Digital-)strategie muss aber gleichzeitig durch die politischen AkteurInnen wertgeschätzt und maßgeblich betrieben werden. Jeden Tag, in jedem Politikfeld und bei jeder politischen Aktion. Grundlage dafür muss aber auch ein klarer inhaltlicher Grundsockel sein. Wie dieser aussehen kann, folgt in einem der nächsten Artikel dieser Serie.