Nicht nur Opa nach Europa
Ein Plädoyer für mehr junge Leute im Europäischen Parlament
Die Sorge um die europäischen Handelsabkommen CETA und TTIP hat hunderttausende Menschen auf die Straße gebracht. Die Debatte zu Uploadfiltern im Internet ist in den letzten Wochen hochgekocht und hat durch immensen Druck der NetzaktivistInnen zu einem Stopp im Europäischen Parlament geführt. Und Abgaswerte – einst ein Fall für Spezialisten und Lobbyisten – sind ein breit und heiß diskutiertes Thema geworden. Drei Themen, die uns in der politischen Debatte bewegen und bei denen das Europäische Parlament ein großes Wort mitzureden hat. Im nächsten Jahr stehen die Wahlen dafür an. Und es wird eine große Prüfung für die SPD, in wie weit sie bei der Erneuerung den Worten auch konkrete Taten folgen lässt.
Seit den Bundestagswahlen im September 2017 wurde eigentlich keine politische Rede gehalten, in der jünger, weiblicher und digitaler nicht beschworen wurde. Wie ernst nimmt die SPD dies, wenn es um die Europawahlen geht? Denn gerade in Brüssel und Straßburg brauchen wir jüngere Leute. Unsere aktuelle SPD-Gruppe im EP hat einen Altersdurchschnitt von über 56 Jahren. Während zwölf der 27 Abgeordneten über 60 Jahre alt sind, gibt es mit Tiemo Wölken nur eine Person unter 35 Jahren. Natürlich ist Alter allein kein hinreichendes Kriterium für eine starke progressive Politik. Doch gerade Tiemo zeigt, wie man sich für etwas wie freies Internet einsetzen und dies auch noch jungen Leuten über Social Media vermitteln kann. Bei Bürgerversammlungen in seiner Heimat und auf seinem Youtube-Kanal klärt er über Vorurteile gegen die EU auf („Mythen-Mittwoch“), erläutert aktuelle Themen aus dem EP und erzählt vom Alltag aus Brüssel und Straßburg. So wird Europa verständlich und greifbar.
Identifikation mit jungen Leuten
Mehr junge Abgeordnete können auch dazu beitragen, dass sich junge Wählerinnen und Wähler wieder stärker mit uns identifizieren können. Denn beim Thema Europa wird ein Paradox deutlich: Zwar erfährt „Europa“ abstrakt eine große Zustimmung bei jungen Menschen, aber gleichzeitig wird die EU als weit weg und bürokratisch empfunden. Keine Sache, für die man sich wirklich politisch interessiert. So wiesen bei der letzten Europawahl 2014 die 21- bis 24-Jährigen die geringste Wahlbeteiligung mit 35,3 Prozent auf. Erschreckende Folgen solcher Entwicklungen lassen sich beim BREXIT-Votum eindrucksvoll erkennen. Gerade junge Identifikationsfiguren können helfen, diese Diskrepanz zwischen Lebensgefühl und politischem Handeln zu überwinden.
Junge Parlamentarier bringen neue Ideen mit, neuen Elan und ein viel größeres Verständnis für die Lage von jungen Menschen. Weil sie selbst gerade Erasmus gemacht haben oder zwischen der Ausbildung, dem Berufseinstieg oder erster Familienplanung stecken. Weil sie popkulturell näher dran sind und weil sie eine junge Sprache sprechen. Wir wollen, dass die SPD ein gutes Ergebnis einfährt? Dann gebt jungen Kandidatinnen und Kandidaten aussichtsreiche Listenplätze.
Junge Leute stehen bereit
Dass wir gute Leute haben, zeigt sich bereits:
- Delara Burkhardt tritt in Schleswig-Holstein an. Sie ist stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende, seit langem im Willy Brandt Center engagiert und tritt für wirkliche Gleichstellung und eine offene Gesellschaft ein.
- Luisa Boos ist Generalsekretärin der SPD Baden-Württemberg, die nicht nur inhaltlich viele gute Impulse für Europa setzt, sondern jüngst bei der Oberbürgermeisterwahl-Wahl in Freiburg gezeigt hat, wie man Wahlen gerade bei den jungen Leuten gewinnt.
- Sally Lisa Starken ist stellvertretende Bundesvorsitzende der ASF. Sie wurde nominiert durch die SPD Bielefeld, die schon mit Wiebke Esdar eine linke, junge Frau an ihrer Spitze und erfolgreich in den Bundestag entsendet hat.
Alles sind drei spannende, junge und gleichzeitig erfahrende Sozialdemokratinnen, die das Europäische Parlament bereichern würden. Auch die weiteren bisher bekannten jungen Leute, die für die Europawahlen antreten, machen Hoffnung, dass wir die Verjüngung in Europa hinbekommen. Sarah Weiser aus Münster, Ingo Wagner aus Brüssel/Leverkusen, Micha Heitkamp aus Ostwestfalen-Lippe, Laura Frick aus Hamburg und Maja Wallstein in Brandenburg. Und natürlich wäre Tiemo als bewährter, aber junger Abgeordneter weiterhin ein Gewinn als Ansprechpartner nicht nur für junge Leute im Europäischen Parlament.
Jugendquote als letztes Mittel
Doch das alles bleibt nur eine Hoffnung, wenn die Partei sich mit jungen Kandidatinnen und Kandidaten schmückt, sie aber am Ende nicht auf erfolgsversprechenden Listenplätzen landen. SPD++ hat sich für eine Jugendquote eingesetzt und fordert, dass jeder 5. Listenplatz mit Kandidatinnen und Kandidaten unter 35 Jahren besetzt sein muss. Die Europawahlen werden zeigen, ob die Partei auch ohne Quote versteht, warum junge Leute wichtig sind. Leben wir nicht nach der Floskel „Hast du einen Opa, dann schick in nach Europa.“ Wie wäre es stattdessen mit „Enkel, Mutter, Opa – Vielfalt nach Europa“?
Seht endlich ein: kein ganz vereint‘ Europa!
Zu regional wird immer noch gedacht.
Zwar ticken Menschen heute anders als ihr Opa, (hic!)
doch fürchten sie die Folgen solcher Macht.
Vielleicht mal später in nicht absehbarer Ferne,
wenn wir dann nicht zum Armenhaus gemacht.
Um jetzt in Brüssel Erfolg zu haben müssten Europas Grenzen neu definiert werden. Wie kann man erwarten dass Länder im Osten, die durch die Jahrhunderte von fremden Mächten hin und her erobert bzw. gelenkt wurden, nun nicht endlich den Hals gestrichen voll davon haben? Oder – wenn anders – haben sie jetzt das Pflücken von Rosinen grünbdlich gelernt?