Vielfalt gewinnt – Was die SPD von der Fußball-WM lernen kann

Die buntesten Mannschaften haben bei der WM 2018 nicht nur den mitreißendsten, sondern auch erfolgreichsten Fußball gespielt. Sie sind damit ein starkes Manifest für Erfolg durch Zusammenhalt, Vielfalt und Toleranz. In der französischen Nationalmannschaft („Les Bleues“) haben von 23 Spielern 17 einen Migrationshintergrund. Im englischen und belgischen Team haben jeweils 11 von 23 Spielern einen Migrationshintergrund. Und 15 Prozent der kroatischen Spieler sind in einem anderen Land geboren, als in jenem, dessen Farben sie jetzt stolz auf der Brust tragen. In ihrer Zusammensetzung spiegeln diese Teams, die es unter die besten vier geschafft haben, moderne Migrationsgesellschaften wider.

Und trotz des enttäuschend frühen Ausscheidens ist unbestritten: ohne Boateng, Khedira und Özil wäre die deutsche Mannschaft 2014 wohl kaum Weltmeister geworden. Der Bundestrainer käme auch sicher nicht auf die Idee, 23 Prozent der potenziellen Spieler nicht zu berücksichtigen. Dass fast ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland einen Migrationshintergrund hat, ist bei Fußballspielen gut erkennbar.

Eine Vielfalt wie zu Adenauers Zeiten

In Parlamenten und auf Parteitagen ist das hingegen nicht der Fall. Nur 8 Prozent der Bundestagsabgeordneten haben einen Migrationshintergrund. Die SPD liegt dabei mit 9,8 Prozent kaum über dem Durchschnitt, die Grünen kommen auf 14,9 Prozent, die Fraktion der Linken immerhin auf 18,8 Prozent. Wenn man gar auf die Regierungsbank schaut, hat sich seit der Adenauer-Zeit fast gar nichts verändert. Nur eine einzige, die Bundesjustizministerin, hat auch einen britischen Pass. Von 27 Staatssekretärinnen und Staatssekretären der SPD erfüllt gerade einer die Definition „Deutscher mit Migrationshintergrund“ – einer in Belgien geborenen Mutter sei Dank. Auf Landes- und Kommunalebene sieht das Bild nicht anders aus. Und wenn eine Politikerin oder ein Politiker mit Migrationshintergrund ausnahmsweise mal in eine verantwortliche Position kommt, dann nur selten in harte Politikfelder mit großen Haushaltsposten und wichtigen Gesetzgebungsverfahren, sondern eher im Bereich „Gedöns“.

Nicht über sondern mit MigrantInnen reden

Aus gutem Grund wird mit formellen und informellen Quoten sowie mit politischem Willen auf Geschlechter-, Regional- und Strömungsproporz geachtet. Auch, dass mit Franziska Giffey wenigstens eine Ministerin aus den neuen Bundesländern am Kabinettstisch sitzt, wurde aus gutem Grund beachtet. Das Kabinett wäre schlicht ärmer ohne ihre Lebenserfahrung. Für Menschen mit Migrationshintergrund gibt es diese Sensibilität nicht. Die Republik wird bunter, die Politik bleibt hingegen grau. Dabei lebt Demokratie davon, dass alle mitmachen und auch die Chance erhalten, sich in Verantwortungspositionen zu bewähren. Wer seine Wurzeln in einem anderen Land hat, bekommt aber nicht das Gefühl vermittelt, dass er oder sie dieselben Chancen in der Politik hat wie Alteingesessene. Das ist nicht nur unfair und ausgrenzend. Es lässt auch Erfahrungshintergründe außer Acht, die bei der Gestaltung in einer Zuwanderungsgesellschaft dringend notwendig sind. Über kaum ein Thema wurde in Deutschland seit 2015 so viel diskutiert wie über Flucht und Migration – aber meist über und nur selten mit Migranten. Auch, weil diese in der Politik immer noch deutlich unterrepräsentiert sind.

Was tun?

Eine MigrantInnenquote sollte daher als Ultimo Ratio diskutiert werden. Zunächst sollte man aber die Ursachen angehen. Das beginnt bei der Ausbildung von politischen Talenten durch die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Parteischule und die Kommunalakademie. Das bedeutet, dass Menschen mit Migrationshintergrund gezielt in der Kommunalpolitik eingebunden werden – die Basis unserer Demokratie. Und das bedeutet auch, dass die SPD endlich in repräsentativen und deutlich sichtbaren Positionen gezielt Genossinnen und Genossen mit Migrationshintergrund berücksichtigt. Und zwar nicht nur in der Rolle der Migrationsbeauftragten, sondern in harten Politikfeldern.

Im Sommer 2018 haben Menschen in aller Welt Mannschaften zugejubelt, die genauso vielfältig sind, wie die die meisten Migrationsgesellschaften im 21. Jahrhundert. Ein guter Moment um darüber nachzudenken, was die SPD vom Erfolg durch Vielfalt der besten Teams der Welt lernen kann.

unsplash-logoNathan Dumlao